Wiesbaden – Das seit 2011 im Landgerichtsbezirk Marburg und seit 2016 in leicht abgewandelter Form im Landgerichtsbezirk Kassel durchgeführte Marburger Modell wird künftig auf viele hessischen Landgerichtsbezirke ausgedehnt. Durch das Marburger Modell konnte dort in Fällen häuslicher Gewalt nicht nur besser auf die Täter eingewirkt werden und somit ein Beitrag zur Prävention geleistet werden, sondern auch der Opferschutz stark verbessert werden.
Kern des Marburger Modells ist die Optimierung und Beschleunigung der Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten in Fällen häuslicher Gewalt. Darüber hinaus werden frühzeitig Beratungsangebote für die Opfer aber auch Trainingsangebote für die Täter vermittelt.
Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann erläuterte das Modell am Montag in Wiesbaden: „Erfahrungsgemäß sind sowohl das Opfer als auch der Täter kurze Zeit nach der Tat noch offen für Beratungsangebote. Das Opfer möchte auszusagen und der Täter möchte an sich arbeiten. Dieses Zeitfenster schließt sich aber wieder sehr rasch. Das schnelle Aufsuchen des Opfers und des Täters durch die Gerichtshilfe signalisiert dem Opfer, dass der Staat etwas zu seinem Schutz unternimmt, dem Täter wird vermittelt, dass sein Handeln nicht toleriert wird.“
Kühne-Hörmann schilderte auch, wie das Modell in der Praxis abläuft: „Die Polizei benachrichtigt nach einem Vorfall von häuslicher Gewalt die Gerichtshilfe. Es schließen sich umgehend intensive Gespräche mit den Opfern an, die über ihre aktuelle familiäre und häusliche Situation, den Beziehungsverlauf und die wirtschaftliche Situation berichten können. Auch wird der Tathergang besprochen. Es erfolgt eine Vermittlung an spezialisierte Fach- und Beratungsstellen, etwa der Ehe- und Familienberatung. Auch die Ausarbeitung eines Notfallplans sowie die Begleitung zur Vernehmung bei der Polizei werden angeboten. Dies alles findet selbstverständlich auf freiwilliger Basis statt.“
Aber auch der Täter wird in die schnelle Aufarbeitung mit einbezogen: „Im weiteren Verlauf nimmt die Gerichtshilfe Kontakt zu den Beschuldigten auf. Auch diese erhalten die Möglichkeit, das Vorgefallene aus deren Blickwinkel darzustellen. Es soll eine Auseinandersetzung mit der Tat stattfinden und Handlungsstrategien erarbeitet werden, wie zukünftig in einer Akutsituation reagiert werden kann. Zudem werden Beratungs- und Trainingsprogramme vermittelt. Nach Ablauf von drei Monaten findet eine Nachbesprechung statt. Hierzu wird mit den Beteiligten erörtert, ob sich Veränderungen in der Situation oder weiterer Gesprächs- oder Hilfsbedarf ergeben haben. Sämtliche Schritte werden in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft durchgeführt“, so Kühne-Hörmann.
Eva Kühne-Hörmann ist von der praktischen Wirksamkeit des Marburger Modells überzeugt: „Beim Marburger Modell handelt es sich um ein Erfolgsprojekt, von dem nun viele Landgerichtsbezirke profitieren können. Das schnelle und vernetzte Eingreifen aller betroffenen Stellen führt dazu, dass die Position des Opfers deutlich gestärkt wird. Zudem wird dem Täter frühzeitig aufgezeigt, dass der Staat sich der Sache kompromisslos annimmt und es sich nicht um eine rein innerfamiliäre Angelegenheit handelt. Die Gerichtshilfe kann frühzeitig und zielgerichtet Ansätze zur Lösung der bestehenden Konflikte aufzeigen und geeignete Auflagen für den Fall einer Sanktionierung vorschlagen."
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